Objektivitätskritik

Objektivitätskritik

Wenn kritisieren meist heißt verändern zu wollen, was bedeutet denn dann Kritik für die eigene Wissensproduktion?

Seit dem 19. Jahrhundert werden im Kontext der kritischen Wissenschaft Modelle von Objektivität
verhandelt, die Wissen in historischen, sozialen und kulturellen Kontexten und Produktionsbedingungen
verorten. Seit den 1970er Jahren geht damit eine feministische Wendung von Wissensverständnis einher, dass sich reguliert „durch Prozedere der Macht, Prozeduren, die als Klassifikations-, Anordnungs-,
Verteilungsprinzipien wirken“
. Dadurch entsteht die Diskursverschiebung dahingehend, dass die
Wissensfrage immer eine Machtfrage ist sowie die daran anknüpfende feministische Wendung hin zur Perspektivvielfalt, die durch den Begriff situated knowledge geprägt wird. Ausgehend davon wird
zunehmend das Verhältnis von epistemologisch-methodologischen und politisch-ethischen Dimensionen in den jeweiligen wissenschaftlichen Programmatiken in Frage gestellt.
Hierzu Haraway: Mit dem Begriff situated knowledge fordert Haraway ein, Wissen und Positionen zu
verorten und zu lokalisieren, ihre Herkunft zu erforschen und damit der Erzählung eines unbenannten,
universellen Wissenskanon konkrete Blicke und Körper entgegen zu setzen. Damit verhandelt sie die
Frage, wie ein Begriff von Objektivität mit dafür notwendiger Reflexion etabliert sein muss. Was Haraway hierdurch in den Diskurs feministischer Wissenschaftskritik einbringt, ist der Versuch, epistemologische Herleitungen, durch Kontextualisierung sowohl zu politisieren als vor allem auch Ungleichverhältnisse sichtbar und denkbar zu machen. 
Anknüpfend an der Kritik an einem wissenschaftlichen Objektivitätsverständnis stellt feministische
Forschung also eine ihrer Kernfragen: Wenn kritisieren meist heißt, verändern zu wollen, was bedeutet denn dann Kritik für die eigene Wissensproduktion? Oder anders formuliert: Wenn wir etwas abschaffen wollen, wen oder was wollen wir stattdessen? Dabei lokalisiert sich feministisch-kritische Wissenschaft in einer permanenten Ambivalenz zwischen Normativität und Kritik. Festgestellte Ambivalenz kann aber Ausgangspunkt jeder Theorie, Methodik und politischer Aktivität werden, aus denen sich feministische Wissensprojekte zusammenstellen sollen.


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